Erfahren Sie, wie Oma Erna und Opa Rudi den Wert ihres unsanierten Mehrfamilienhauses bestimmen und den Verkaufspreis realistisch einschätzen. Entdecken Sie die Methoden zur Preisfindung für Bestandsimmobilien, die energetisch modernisiert werden müssen.
Lage, Lage, Energiekosten!
Oma Erna (69) und Opa Rudi (73) stehen vor einer großen Entscheidung: Ihr 1972 erbautes 6-Familienhaus mit 400 m² soll verkauft werden. Nach dem Motto “Das letzte Hemd hat keine Taschen” soll das Mehrfamilienhaus also “verlebt” werden.
Aber was ist das unsanierte, energetisch nicht auf dem neuesten Stand befindliche Haus wert, wenn sie es privat in gute Hände geben möchten?
Diverse Spaziergänge zu den örtlichen Banken und deren Immobilienschaufenstern brachten wenig Erleuchtung. Neben Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen findet man dort nur wenige Mehrfamilienhäuser, die oft schon seit 2021 verstauben und sich verzweifelt im besten Licht präsentieren wollen.
Opa Rudi und die große Zahlenliebe
Opa Rudi ist ein großer Fan von „Zahlen, Daten, Fakten“. Erst kürzlich beim Stammtisch hat sein Freund Hans, der Hausverwalter, tief aus dem Nähkästchen geplaudert. Nun will Opa Rudi mit seiner Frau Erna „Tacheles“ reden und preisliche Pflöcke einschlagen. Er hat keine Lust, den Verkaufspreis emotional und subjektiv zu treffen, denn sein Bluthochdruck hält den unnötigen Frustrationen und Verzögerungen im Kaufprozess nicht stand.
Sein Freund Hans stimmte zu, dass solche Verzögerungen für Investoren verkraftbar sind, für Verkäufer aber oft Stress und Herausforderungen bedeuten, besonders wenn die Liquidität aus dem Hausverkauf dringend benötigt wird – sei es, um Erbschaftssteuer zu zahlen, den Ex-Partner auszuzahlen oder die Pflegeheimkosten zu decken. Zum Glück hat Opa Rudi „nur“ den Traum, mit einer fetten Harley die Route 66 runterzubrausen.
Pflock 1 – Die Ertragswertmethode
Das unsanierte Mehrfamilienhaus (BJ 1972) mit 400 m² Wohnfläche erwirtschaftet eine Jahresnettokaltmiete von €50.000.
Hier werden die Jahresmieteinnahmen mit dem Kapitalisierungssatz (auch „Faktor“ genannt) multipliziert.
Beispiel: Aktuelle wirtschaftliche Rahmenbedingungen:
- Fremdfinanzierung Bank: 4%
- Notwendige Tilgung: 1%
- Bewirtschaftungskosten: 1%
- = 6% Kapitaldienst.
100 / 6 = 16,67 Faktor
€50.000 * 16,67 = €833.000 indikativ erzielbarer Verkaufspreis.
Doch diese Methode hat eine Schwachstelle, denn keine Immobilie ist „effizient“ bewertet.
Pflock 2 – Substanzwertmethode
Hier wird versucht, den physischen Vermögenswert (Grundstück, Baukörper, usw.) zu ermitteln. Um 1 m² Wohnfläche herzustellen, benötigt man ein Grundstück und einen Baukörper, der zusammen den Preis pro m² Wohnfläche ergibt. Während der Baukörper in ganz Deutschland je nach Ausstattung relativ ähnlich ist, variiert der Preis für einen Quadratmeter Grundstück erheblich.
Beispiel (je m²) als Bierdeckel-Bewertung für Frankfurt am Main:
- Bauland: €1.200 – €1.500
- Baukosten: €4.000 – €4.500
- Innerer Wert: €5.500
Opa Rudi möchte Oma Erna den zweiten Pflock einschlagen: 400 m² * €5.500 = €2.200.000
Guter Rat ist teuer, besonders wenn man bei einem Preisrahmen von €833.000 bis €2.200.000 landet und damit wenig weiterkommt. Von Hans, dem Verwalter, weiß Opa Rudi, dass Bestandsbauten sich in Zustand, Qualität und Energieeffizienz oft stark von Neubauten unterscheiden. Zudem weiß Hans zu berichten, dass Wohnhäuser bis 2045 energieneutral sein müssen, was eine energetische Ertüchtigung eines nicht modernisierten Hauses mit ca. €1.500 pro m² (Dämmung, Fenster, Dach) und der Innenausbau mit ca. €500 pro m² zu Buche schlägt.
Es klingt kompliziert, ist aber ganz einfach: Opa Rudi weiß, dass dem zukünftigen Käufer ca. €800.000 Investitionskosten entstehen werden. Nun ist der Preisrahmen von €833.000 bis €1.400.000 (€2.200.000 – €800.000) immer noch breit, aber Opa Rudi kann besser in die Preisverhandlungen einsteigen und die verschiedenen Vorzüge seiner Immobilie kundtun.
Foto von Frédéric Paulussen auf Unsplash